I – einleitung
mal wieder ein paar tage in madrid verbracht. vor allem, um die fast 99jährige großmutter zu besuchen und die sie pflegende 75jährige tante. frauen am rande des nervenzusammenbruchs, um’s mal almodovarianisch auszudrücken. ich bin der einzige in der familie, der das aushält, obwohl es gar nicht so viel auszuhalten gibt, wenn man sich mal damit abgefunden hat, dass das leben einer 99jährigen, aber auch das eigene und das der anderen, irgendwann ein ende nehmen wird. übermorgen, in vier monaten, in drei jahren oderwannauchimmer. weitere supporting actors der daily dokusoap: ein pfleger namens salvador, täglicher auftritt zwischen 11 und 13 uhr (zitat tante: der ist ein indianer aus peru mit einem unnatürlichen putzzwang, lo que me faltaba. und deine großmutter, dieser vornehme wiener kracher, liebt den noch abgöttischer als die tosca den cavaradossi. tante geht schreiend ab), zwei schwestern von irgendeinem spanischen orden, täglicher auftritt zwischen 17.30 und 18.00 uhr (zitat tante: son monjas! die sind noch schlimmer als der indianer! tante geht schreiend ab) sowie eine ärztin namens mercedes (zitat tante: die ist noch schlimmer als die monjas und hat dem kracher das morphium verschrieben und jetzt lebe ich wegen der mit einer drogadicta zusammen. tante geht schreiend ab).
II – volver
um mal andere frauen zu sehen, gleich in den neuen almodóvar gerannt. alle spanier sind natürlich total begeistert von dem film und felsenfest davon überzeugt, dass volver in cannes gewinnen wird. in dem selben maße, in dem deutsche deutsche filme immer scheiße finden, finden spanier spanische filme ja immer wahnsinnig gut. voll nervig, aber darüber rege ich mich seit zwanzig jahren schon nicht mehr auf. auf jeden fall ist volver ein netter bis ganz guter, melancholischer, dramatisch-lustiger film mit den typischen almodóvar-ingredenzien: gute schauspielerinnen, oft sehr witzige dialoge, sehr überlegte einstellungen, striktes handkameraverbot, zentral platzierter schöner sentimentalsong (eigentlich ist ja almodóvar der einzige regisseur, der noch musical-filme dreht), die obligatorische tv-talkshow-verarsche, filmfiguren, die raimunda und agustina heißen. alles eben sehr madrilenisch-kastilisch und anrührend und magisch und irgendwie wunderbar. und sogar penelope cruz, die ich überhaupt nicht leiden kann, spielt unerwartet gut und sieht phantastisch aus. und wie carmen maura – die beste spanische schauspielerin überhaupt – da zusammengekauert, ungepflegt und grauhaarig als gespenst im kofferraum liegt. das ist schon eine wahnsinnige szene, auf die auch ein almodóvar erstmal kommen muß.
III – mujeres de madrid
nach dem film noch voll im penelope-wahn 98 % der madriderinnen ungeheuer schön und gepflegt gefunden. alle so aufgepudelt und gertenschlank und gesträhnt, mit ihren geblümten volant-tops, megahohen riemchensandälchen, fliederfarbenen edelstoffhosen und untertassengroßen sonnenbrillen. valley of the dolls. diese frauenwahrnehmung änderte sich schlagartig, kurz vor dem rückflug, beim betreten des germanwings-flugzeuges. back in good old wohlfühlklamotten-easytreter-germany.
IV – disco
vorsatzmäßig in so eine fashion-homo-disco gegangen. konnte ich ja nicht ahnen, dass man da erst um vier hingeht. anderthalb stunden also mit anderen touristischen nichtwissern doof in der leeren disco rumgestanden und nach drei hammergintonics um fünf gehen müssen, weil ich die menschenfülle nicht mehr ertragen konnte.
V – hard candy
regie david slade, usa 2005. der 30jährige fotograf jeff (patrick wilson. der mormone aus angels in america) und die 14-jährige hayley (ellen page. die neue chloe sevigny wennstemichfragst) kennen sich aus mehreren internetchat-sessions und treffen sich das erste mal im real life, wie man seit 1998 so doof sagt. das ganze ist als zwei-personen-kammerstück angelegt – hey! ich mag zwei-personen-kammerstücke! -, wird in jeffs schickem fotografenbungalow zum alptraum und endet gar nicht schön, um mal möglichst wenig über den film zu verraten (nur so viel: es geht um pädophilie). sehr gut geschriebene dialoge, exzellent gespielt, lassen über ein paar etwas zu reisserisch geratene handlungsstränge hinwegsehen. ein psychothriller eben. recht gekonnt wird man als zuschauer in einen konflikt der sympathievergabe gerissen. ich fand natürlich, isklar, patrick wilson total sympathisch. sehenswerter film
VI – el país
zeitungslektüre I: in madrid lebt die größte rumänische “community” außerhalb rumäniens. so groß, dass der madrider bürgermeister ab und zu nach bukarest fliegt, um dort irgendwas zu besprechen. am madrider flughafen dann auch prompt eine riesenlange schlange am check-in-schalter nach bukarest gesehen. als romanist natürlich sofort nach linguistischen gründen der rumänischen spanienpräferenz gesucht. wie einem tausendfach eingebläut wurde, haben sich ja das spanische und das rumänische, im vergleich zu anderen romanischen sprachen, am wenigsten vom lateinischen wegentwickelt und sind sich angeblich deshalb irgendwie ähnlich. mich dabei ertappt, das irgendwie süß zu finden.
zeitungslektüre II: artikel über plastische chirurgie (augen, wangen) an spanischen erwachsenen mit down-syndrom, um deren soziale akzeptanz in der gesellschaft zu erhöhen. natürlich auf eigenen wunsch der betroffenen. bei mir vollkommene ratlosigkeit darüber festgestellt, ob man überhaupt noch eine meinung zu schönheitsoperationen haben kann, muss oder soll. sollen sich doch einfach alle so viel operieren lassen wie sie wollen (was ja sowieso schon der fall ist), aus welchen gründen auch immer. schönheitsoperationen sollten den gleichen stellen- und diskussionswert wie friseurbesuche einnehmen (was ja sowieso schon der fall ist).
VII – abspann
mal wieder ansentimentalisiert gedacht, dass ich mir, später mal, das eigene altsein (60+) vielleicht nur in madrid vorstellen mag. bei 30 grad im strassencafe, zwischen all den anderen alten, hinkenden, tortillabäuchigen, schönheitsoperierten und sonnenbebrillten an den nebentischen. ohne von den vorbeistöckelnden penelopes und olivenhäutigen javiers als geronto-freak wahrgenommen zu werden. das wäre schön.