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gym diaries 2001/2002/2003/2004/2005
 

06.04.01

nach monaten als fördermitglied war ich heute mal wieder aktiv im fitness-studio tätig und sitze jetzt hier stairgemastert, aufgepumpt und todmüde vor dem pc. heimlich bewundere ich ja immer die "gym diaries" der amerikanischen homoblogger, denen so allerhand im steam room widerfährt. von mir ist allerdings doch kein gym-diary zu erwarten, da ich absichtlich nicht in das schwul-angesagteste kölner gym gehe, sondern bei mir um die ecke, vormittags zu den hausfrauen und rentnern. da gibt's nicht zu berichten, außer über handgekrickelte "spinning now, dm 25, inklusive getränke, fotos und knabbereien"-poster. der star war heute auf jeden fall eine junge muslima, die mit kopftuch schweißgebadet ihre kilometer auf dem laufband runterriß.
 

11.04.01

übrigens: size matters, und zwar shoe size. obenrum aufgeblasen und ganz untenrum größe 39 ist auch nicht so richtig sexy. aber auch nicht richtig schlimm. bin nämlich eigentlich bezüglich körperlicher idealmaßabweichungen extrem tolerant. vor allem, wenn die leute komplexe deswegen haben. an dieser stelle grüße ich besonders alle großnäsigen. ich liebe komplexe (bei anderen). und wenn jemand komplexe zugibt, steigt er sofort auf meiner nach oben offenen begeisterungsskala um fünf maßeinheiten. ansonsten doof sitzrad gefahren und musikvideos ohne ton geguckt. das madonna-video wird tagsüber übrigens doch nicht ganz gezeigt. brennende tankstelle und crash fehlen. war total durstig, bin aber extra nicht an die bar gegangen. und das ich. zeig mir ne bar und ich steh zehn sekunden später trinkend davor und überlege mir, wie man sich möglichst sexy daran drappiert. aber theken in fitnessstudios sind für mich der reinste horror.
 

 20.04.01

heutiger look: russell athletics trainingshose, dunkelblau, ohne firlefanz, marilyn-manson-t-shirt "mechanical animal tour 98", nike tube socks, adidas running shoes grau, mit dieser torsion-kacke, gekauft bei century 21 in ny und deshalb auch gleich melancholisch geworden. außerdem neues poster entdeckt: "power yoga mit jörg". und jeder, der sich eine dieser extrem häßlichen, überteuerten pulsmeßuhren kauft, darf kostenlos zum spinning-weekend mit michael.
 

 11.05.01

endlich wurde ein neues poster aufgehängt: "body and mind workshop - für mitglieder nur dm 5". hatte keine Lust nachzufragen, worin der mind-anteil besteht, obwohl mich das schon sehr interessieren würde. während des künstlichen treppensteigens in der 'men's health' rumgeblättert und den zweitausendsten "so schaffen Sie's auch: waschbrett in 4 wochen"-artikel gelesen. kurzzusammenfassung: situps machen. danke für die info.
 

 18.05.01

heute extra früh hingegangen, weil ich allein sein wollte. wer geht schon um neun uhr ins fitnessstudio? natürlich der gesamte bop-workshop (bauch-oberschenkel-po), um sich vor der musik-terror-session aufzuwärmen. mein leben ist so monoton, daß ich sogar auf dem laufband, das ich neuerdings für mich entdeckt habe, immer neben den selben personen laufe: ein kleiner weißer dicker und eine große schlanke schwarze. der kleine kann nicht schön laufen. ich auch nicht. leider hängen überall spiegel in dem scheißclub und man muß sich ständig anschauen. eine freundin behauptet, den schönsten schnelllaufstil hätte alain delon. mein lieblingsfilm mit alain delon ist übrigens nur die sonne war zeuge (plein soleil). die sommerhitze wird äußerst überzeugend dargestellt. und alain delon trägt gucci-loafer. eiskalter engel (le samouraï) ist natürlich auch außergewöhnlich gut. ein farbfilm, in dem ständig alles grau ist. wände, möbel, kleidung. und in einer wohnung hängt ein sánchez cotán. oder rocco und seine brüder. das verschneite mailand. selten hat mich eine wettererscheinung so gerührt. visconti wollte nadja tiller für die rolle der nadia. die filmfigur hieß sogar extra wegen ihr so. das dumme mädchen hatte angst und wollte nicht. noch ein schönes gesicht: monica vitti zusammen mit alain delon in antonionis l'eclisse. voller melancholie und schönheit. in einer dokumentation über romy schneider hat sich einer ihrer schwulen freunde voller abscheu über alain delon geäußert. das größte schwein, das er jemals kennengelernt hätte. hab ich sofort geglaubt, paßt leider.
 

 08.06.01

mich treibt es in den wahnsinn, daß die empfangstusse immer wieder fragt, ob ich eine spezielle spindschlüsselnummer haben will. nein, ist mir gleich, ist mir egal, ist mir scheißegal, das ist unwichtig, einfach irgendeinen. wahrscheinlich gibt es ja tatsächlich leute, die einen lieblingsspind haben oder sich ihr leben von glückszahlen terrorisieren lassen. oder leute, die bestimmte schlüsselnummern ablehnen, weil sie unglück bringen, weil der spind ungünstig liegt. wasweißich. in solche problemchen kann ich mich nicht reindenken. ob ich denn auch lust hätte, am sonntag zum begrüßungsbrunch für unsere neue geschäftsführerin petra zu kommen. man könnte dann auch andere mitglieder kennenlernen. falls ja, bitte in die liste eintragen. ich lehnte dankend ab. da würde ich noch schlafen. sonntags zwischen 10 und 2. ist doch vollkommen klar. was? ehecht? spießerin. abgang. brunch und andere mitglieder kennenlernen. horrorkombination. was schlimmeres kann ich mir nicht vorstellen. einer meiner lieblingswerbesprüche von diesen 0190-telefonchatgeschichten war schon immer: neue leute kennenlernen, 24 stunden am tag. absoluter alptraum. es sollte kostenpflichtige rufnummern geben, die mehrere leute anrufen können, 24 stunden am tag, um nicht miteinander zu sprechen. keinen müll schwafeln. zusammen schweigen. zusammen die stille genießen.
 

 28.06.01

vorhin beim dumbbell bench press mit den überdimensionierten schwarzen macho-angeberhanteln, den rechten daumen dermaßen eingeklemmt, daß ich zum glück mein "workout" sofort abbrechen mußte. rede mir ein, daß blaue flecken an der daumeninnenseite sexy aussehen.
 

 12.07.01

die blöde kuh, die wie mariah carey aussieht, stand am empfang und lächelte falsch. nö, keine spezielle schlüsselnummer. mich schnell umgezogen und mal wieder beschlossen, daß ich umkleideräume und duschgelgeruch hasse. bin mir sicher, daß die trainierenden jungs immer ganz eklige duschlotionen aus häßlichen bunten duschgelspendern benutzen, auf denen mindestens zweimal tropic und men oder algemarin steht. dreißig minuten laufband gelaufen, programm fat burner. danach ist einem immer schön schwindelig. ein zustand, den ich immer mehr genieße. das gehirn verkraftet nämlich das schnelle aufderstellelaufen nicht besonders gut. wenn man das laufband verläßt und ganz langsam durch den raum zur theke geht, hat man das gefühl, sich rasend schnell fortzubewegen. sehr empfehlenswert, erinnert irgendwie an poppers, geht auch genauso schnell wieder vorbei. bei der blöden kuh eine apfelsaftschorle bestellt und von der theke aus heimlich das workout eines jungen bodybuilders verfolgt, der sich wiederum heimlich die ganze zeit selbst im spiegel betrachtet hat. ihn heimlich über einen anderen spiegel betrachtet, wie er sein spiegelbild heimlich über einen weiteren spiegel betrachtet hat. also nicht umkompliziert das ganze, denn keinesfalls dürfen sich die blicke versehentlich in irgendeinem der zweitausend spiegel treffen. man will ja nicht unbedingt als schwuler spanner rüberkommen, auch wenn man im grunde nichts anderes ist. genauso gilt es zu vermeiden, versehentlich frauen im spiegel zu begaffen, die sich an der oberschenkelpressmaschine, von einer freundin auch liebevoll vaginator genannt, abmühen. man will ja nicht unbedingt als heterosexueller spanner rüberkommen. kurz vor erlangung einer multiplen persönlichkeit dann doch vorsorglich das studio verlassen und essen gegangen.
 

 10.08.01

ich hab's geschafft. alle empfangstussen wissen jetzt endlich, daß ich keinen wert auf eine spezielle spindschlüsselnummer lege. zur strafe, bilde ich mir ein, bekomme ich immer einen spind in der rentnerzone zugewiesen (100-139). die cute boys ziehen sich zwei reihen weiter hinten um (180-219). das kann man an den übergroßen, schwarzledrigen adidas-sporttaschen erkennen, die auf den spinden liegen. seitdem um die ecke das alte eichamt luxussaniert wurde und dort fünf agenturen, vier unternehmensberater, drei kanzleien, zwei fernsehsender und die bildzeitung eingezogen sind, fallem den ganzen tag anzugtragende anfangdreißiger ins gym ein. sobald sie ihre sportklamotten anhaben, sehen sie wie jeder dahergelaufene ringassi aus. was mir allerdings gut gefällt. hat was gleichmacherisches. wie in der lederszene. alle im selben look, vom straßenkehrer bis zum medinzinprofessor. mao und marx wären begeistert von lederkneipen und fitnessstudios. heute habe ich zum ersten mal eines dieser ausdauergeräte benutzt, das skilanglauf imitiert oder keine ahnung, was das für ein bewegungsablauf sein soll. man schwebt schwabbelnd auf zwei miniplateaus vor und zurück und muß aufpassen, daß man sich nicht die ellenbogen an zwei sich bewegenden stöcken blauschlägt. interessanter motorischer ablauf. mußte mich sehr stark konzentrieren, um das einigermaßen koordiniert hinzubekommen. dann bestieg blöderweise eine frau das gerät neben mir und hetzte sich tierisch ab. sie wollte und wollte sich nicht meinem rhythmus anpassen, was mich fast in den wahnsinn trieb. ich gab auf und stieg nach 83 kalorien ab, schlenderte zur theke und bestellte bei mariah carey was zu trinken. mariah! wie geht's ihr wohl in der klapse? neben mir stand eine meiner derzeitigen lieblingsgymfrauen. sie sieht aus wie die bigbrother-tante, die die votingresultate verkündete. ich blickte sie melancholisch an, da ich heimlich bigbrother vermisse. als neugieriger mensch höre ich mir ja eigentlich das gewäsch der bigbrother-like-leute recht gerne an. man bekam die ganzen stussgespräche immer schön mit, ohne selbst, wie das bei einer tatsächlichen begegnung der fall wäre, agieren, richtigstellen und widersprechen zu müssen. war sehr angenehm, rückblickend gesehen. und wenn die pseudovotingtante nicht so gekölscht hätte, hätte ich sie um ein autogramm gebeten. überhaupt sah ich plötzlich nur noch schwitzende promis: michel friedman am lat-zug, renan demirkan auf dem stairmaster, heribert faßbender am kabelzug und ilona christen an der abduktorenmaschine. nightmare!
 

 27.08.01

heute mal zur abwechslung nicht um neun uhr morgens in die fitnessklitsche geschlichen, sondern um neun uhr abends, was nicht nur ich erstaunlich fand, sondern auch mein freund. hatte sowas anrüchiges, als ob man sich eine wirklich ganz dumme quickie-ausrede hätte einfallen lassen. aber ich hatte tagsüber keine lust auf gym und wollte 'ich lebe in einer großstadt' spielen, in der man rund um die uhr alles machen kann. mit vollgefressenem bauch aufs fahrrad gesetzt, gala gelesen und nebenbei die leute abgecheckt. war recht voll, fast nur junge männer, mein lieblingstrainer rico hat mürrisch einen neuling eingewiesen. rico! rico hat eine so schöne haarfarbe, daß ich an der echtheit derselben leider zweifeln muß. goldblonde engelssträhnen auf braunblonden teufelssträhnen. und einen verschlagenen blick hat er auch, was aber daran liegen kann, daß er seine brille heute nicht aufhatte. kennt man ja. brillenträger ohne brille gucken gerne stumpf durch die gegend, was man dann als verschlagen interpretieren kann. frage mich, ob rico halbitaliener oder ostdeutscher ist. westdeutsche heißen nie rico. die größe läßt eher auf italiener schließen. ist ja auch egal, werd ich sowieso nie rauskriegen. ein angeber mit teuren fitnessklamotten hat sämtliche eightpack-förderungsmaßnahmen demonstriert und erntete betretenes schweigen in blickform von allen anwesenden. er hat sich damit ganz schön unbeliebt gemacht und wird bestimmt auf keine geburtstagsparty eingeladen. auch nicht von unserem klassensprecher rico.
 

 28.09.01

meine lieblingsempfangsfachkraft mariah carey stand rauchend vor dem eingang des fitness-studios. sie wird mir immer sympathischer, das rundgesichtige, mürrische biest. schnell huschte sie hinter mir herein und tribbelte zur empfangstheke. ich überraschte sie mit einer spindwunschschlüsselnummer, die ich mir schon den ganzen morgen lang überlegt hatte. sie lachte und schaute mich ungläubig an, als ob ich sie verarschen wollte, dabei wollte ich doch nur mein leben verändern. die fitnessräumlichkeiten sind gespickt mit fernsehgeräten, auf denen vier verschiedene programme tonlos laufen. seit ny0911 wurden viva und rtl durch n-tv und cnn ersetzt, damit man ja nichts verpaßt beim aufderstellelaufen, -radfahren, -treppensteigen. ich fragte mich, ob cnn wohl extra kameras in der nähe des empire state buildings, des sears towers und der golden gate bridge plaziert hat. für alle fälle. halte ich für sehr wahrscheinlich. mir fielen einige postings aus schwulen amerikanischen weblogs ein. fotos, auf denen staubbedeckte new yorker fassaden in kleinen schrummeligen nebenstraßen zu sehen waren. grauer staub, dessen genaue zusammensetzung man lieber nicht wissen will. daß kaum jemand noch fliegt und lieber zweiunddreißig stunden im zug sitzt, um von new orleans nach new york zu kommen. ob es verwerflich ist, in diesen tagen in backrooms rumzuschleichen und dirty sex zu haben, als ob überhaupt nichts passiert wäre. wie schwer es den amis fällt, nicht auf schnelle rache zu sinnen. break. ich habe die langhantelbank für mich entdeckt. eine langhantel zu stemmen hat was altmodisches. man kämpft mit ganzer kraft gegen die gewichte, kommt sich wahnsinnig hetig vor, spürt jeden brustmuskel und hampelt nicht hospitalistisch an irgendwelchen maschinchen herum. außerdem kann man sich sehr gut vorstellen, in einem schwächemoment von der langhantelstange erdrosselt zu werden. eine horizonterweiternde horizontale todesart, auf die ich noch vor einem jahr niemals gekommen wäre. man bräuchte einen möglichst gutaussehenden trainingspartner, der daddy-like hinter einem steht und im letzten moment die langhantel nach oben reißt. imaginäre kleinanzeige: "m, 39, 195, 84 sucht zur gegenseitigen lebensrettung gutaussehenden intelligenten gym buddy, der möglichst n-tv, pril apple, verona feldbusch und fitness-studios hassen sollte. nichts muß, alles kann" ('nichts muß, alles kann' gehört standardmäßig in jede schwule kontaktanzeige, auch wenn es absolut nichts aussagt).
 

05.01.02

kaum geht man mal drei monate lang nicht in die fitnessanstalt, hat man direkt mit den verheerenden folgen des muskelabbaus zu kämpfen. dort, wo vor ein paar wochen mühsam eroberte brustmuskelrundungen das nachtlicht der welt erblickten und sich größter beliebtheit erfreuten, sind nur noch ungleichmäßig ausgestopfte waschlappen hängengeblieben. dieses gewollte herummodellieren an irgendwelchen körperformen, dieses streben nach dem perfekteren körper ist ja sowieso absurd und krank. aber eine solche erkenntnis ist schon lange nichts weiter als ein langweiliger daily-talk-gemeinplatz, den nur noch alte und fette jeder sexuellen ausrichtung von sich geben. egal. bei jedem besuch im fitness-studio komme ich mir wie ein hauptschüler vor, der an der abendschule das fachabitur nachzumachen versucht. aber, wie alle anderen auch, gehe ich natürlich nur wegen meiner rückenprobleme hin. an der theke arbeitete ein trainer, die rundgesichtige war nicht da. endlich konnte man sich die fresse des trainers mal ausführlich ansehen. martin (polnischer nachname, slawisch hochangesetzte wangenknochen, schräge, leicht schlitzige augen, womanizer) hat eine schlechte haut und eine piepsige stimme. ich ließ ihn einen spindschlüssel für mich auswählen: 155, die sportstudentenabteilung. da wurde ich von den frauen noch nie hingeschickt. kaum war ich halb aus- und umgezogen, betrat mein lieblingstrainer rico (wunderschöne blonde haare, dicke brille, kräftiger bartwuchs, indifferentes auftreten) naßgeschwitzt den umkleideraum und zog sich direkt neben mir splitterfasernackt aus. total nett von dem. ich strengte mich wahnsinnig an, so zu tun, als ob es nichts normaleres auf der welt gäbe als nackte fitnesstrainer, geriet darüber ins schwitzen und verließ zügig, grußlos und galant den ort des geschehens. erster vorsatz für das neue jahr: nur noch mit verspiegelter sonnenbrille ins fitnessstudio gehen.
 

 08.02.02

gestern nicht ausgewesen, deshalb heute gemütlich ins gym marschiert. die geschäftsführerin hatte thekendienst und stritt sich am telefon mit dem chef des putzunternehmens. "altweiber ist kein feiertag, das wüßt ich aber" ... dieses niveau. ganz schön mutige aussage diesertage. zum aufwärmen auf dem laufband gelaufen. nach zehn minuten habe ich mich so gelangweilt, daß ich aufhören mußte, sonst wäre ich amok gelaufen, und zwar nicht auf dem laufband. mein lieblingstrainer rico mühte sich am lattzug ab. hat ganz gut an muskelmasse zugelegt. die kombination dicke schwarze brille plus musclepec ist nicht schlecht. ist zwar ein bißchen klein, könnte aber ganz gut die karnevalmädels als superman beglücken. beim reinsteigern in ricos mysteriöses karnevalistisches privatleben bemerkte ich, daß ich während der unerotischen ausführung rückengymnastischer übungen von einem butchigen radfahrer abgecheckt wurde. recht fleischiger typ, mit nicht so vorteilhafter augenpartie. könnte gut als gladiator gehen oder als sträfling. da ich tagsüber ein ganz schlechter flirter bin, konnte kein blickkontakt etabliert werden. außerdem sind mir die ausdauerleute, die stundenlang radfahren, stairmastern oder laufbandrennen nicht besonders geheuer. die kompensieren zuviel. zum abschluß hatte ich mir einen saunabesuch auferlegt. ich hasse sauna, mir war aber kalt und ich hatte lust, an sex zu denken. das geht in der sauna besonders gut. fragte mich, warum wohl deutsche, nach den finnen, das saunabegeistertste volk des universums sind. wahrscheinlich weil saunieren gesund sein soll und deutsche nur sachen machen, die gleichzeitig unangenehm und sinnvoll sind. keine ahnung. eine freundin von mir rennt regelmäßig in eine sogenannte therme, einen betonneubau mit integrierter saunalandschaft. alle zehn minuten kommt der saunamaster, kippt irgendein ätherisches zeug in den saunamotor und hält einen vortrag darüber. nach drei stunden und zwanzig saunagängen schleppt man sich dann zugelabert und dehydriert mit einer pfefferminz-lavendel-vergiftung nach hause, haut sich den bauch voll und fällt in einen tiefschlaf. ich verließ nach zehn minuten die sauna, mir wurde schon wieder langweilig, der gladiator war auch nicht nachgekommen und mein spindschlüssel hatte eine temperatur von 75 grad erreicht.
 

 06.03.02

vor der eingangstüre stand eine fitnesstusse in der kälte und rauchte. mit einem handtuch um den hals. fand ich zumindest originell, während des trainings eine rauchpause einzulegen.
im kursraum des fitness-studios tobte bereits der aerobic-kurs, den ich immer heimlich durch die glaswand beobachte. am liebsten schaue ich einem älteren mann zu, wahrscheinlich frührentner, knapp über sechzig, der jeden mittwoch diesen kurs besucht und schon alle dämlichen aerobic-schritte draufhat. wenn auch etwas zeitverzögert. er hächelt den gebrüllten "und one, und two, und three"-befehlen der kursleiterin immer zwei zehntelsekunden hinterher. ich stelle mir immer vor, wie er wohl als junger mann ausgesehen hat. wahrscheinlich recht gut, hagerer typ, blaue augen, relativ groß. ich stelle mir sein ganzes leben vor. im schnelldurchlauf. kindheit während der letzten kriegsjahre, bombennarbiges schulgebäude, studium der elektrotechnik, heirat mit gisela, zwei kinder, abteilungsleiter, prokurist, fasttrennung von gisela, ferienhausurlaube auf menorca, frühpensionierung, mitgliedschaft im fitnessclub zusammen mit gisela. nach dem arobickurs steht er dann mit gisela an der theke, trinkt kaffee, duzt alle und freut sich über die anregenden studiokontakte mit jungen fitnessleuten. finde ich zumindest originell, im fitness-studio kaffee zu trinken.
während ich mich an der butterfly-maschine abmühte, unterhielten sich direkt hinter mir zwei auf abduktorenmaschinen geschnallte junge mütter über ihre kinder. eigentlich unterhielten sie sich nicht, sie fielen sich gegenseitig ins wort, um den redefluß der augenblicklich sprechenden mit einer noch langweiligeren zu-bett-bring-geschichte brandzuroden. die linke stand schließlich wortlos auf und ließ die rechte kommentarlos sitzen.
am schwarzen brett waren die fotos der fitness-club-karnevalsparty ausgehängt. auf einem bild entdeckte ich meinen lieblingstrainer rico, der sich als matrose mit blonder perücke verkleidet hatte. er umarmt darauf die als teufelin verkleidete geschäftsführerin sowie eine pippi-langstrumpf-thekenbedienung. habe mir kurz und ernsthaft überlegt, ob ich mich in die fotobestellungsliste eintragen soll. kam mir dann aber doch krank vor, sich ein einzelnes foto von einer veranstaltung zu bestellen, die man nicht besucht hat und niemals besuchen würde, auf dem menschen abgebildet sind, mit denen man noch keinen satz außer "eine apfelschorle, bitte" gewechselt hat. projekt rico-shrine also erstmal wieder auf eis gelegt.
 

 20.03.02

wie ich erst später von einem self-made-plakat erfahren habe, war heute vormittag "abschiedsfeier von und mit jeanette". jeanette scheint eine sehr beliebte aerobic- oder spinning- oder whatever-trainerin gewesen zu sein. der verglaste übungsraum, den man nicht mit strassenschuhen betreten darf, war brechend voll. ich habe übrigens schon öfter die geschäftsführerin persönlich mit ihrer schlechten haut und straßenschuhen den übungsraum betreten sehen. wenn mein psychotisches autokorrektiv nicht so stark ausgeprägt wäre, hätte ich sie schon mehrfach darauf angesprochen. die sehr dünne fitnesstante, die wie die votingverkünderin von big brother aussieht, grüßte mich euphorisch. etwas zu euphorisch, für meinen geschmack. ich glaube, ich habe mich mal ganz kurz mit ihr in dem kleinen stehimbiss gegenüber unterhalten, kann mich aber nicht mehr richtig erinnern. sie spricht auch nie mit jemandem im fitnessstudio. im gegensatz zu dem drahtigen mit den gewichtstemmhandschuhen. der kennt alle mit vornamen, sogar die rentner. ich war noch keine fünf minuten da, schon wußte ich alles über ihn. zum beispiel daß er keinen direkten flug nach rio buchen konnte, nur über lima, und gestern auf dem kindergeburtstag seines patenkindes war, aber zu spät kam. wenn dann die rentner auch was uninteressantes zu seinem gefasel anmerken, sagt er immer "wollt isch grad sagen" und hängt den ihm erzählten stuss nochmal dran. auch eine gesprächsführungstaktik. auf der theke klebte eine verschweißte getränkekarte, auf der zu lesen stand: drink 12, pay 10. darunter eine liste der erhältlichen getränke. mir stach sofort power burner ins auge. was ist denn power burner, fragte ich die sommersprossige. so ein getränk, meinte die sommersprossige. wonach schmeckt denn power burner und welche farbe hat es, insistierte ich. unterschiedlich, antwortete sie, kirsche, ananas, lemon, rot, gelb, grün. schmeckt bestimmt widerlich, unterbrach ich sie und erhoffte ein bestätigendes nicken. nö, ganz fruchtig. wird viel getrunken. power burner schmeckt sehr gut. sie hasste mich, ich verzichtete auf weitere fragen und bestellte ein glas wasser.
 

 15.04.02

heute extra am frühen abend ins fitnessstudio gegangen, weil ich mir die rentnerlose hardcore-version geben wollte. zu meiner vollsten zufriedenheit war es ekelhaft voll und ähnelte der darstellung von gyms in naked-gun-teil-zweihundert-filmen. fitnessmode, stirnbänder, radio köln, das surrende geräusch hin- und hergleitender kabelzüge, hyperventilierende laufbanddicke. die clique der enthaarten perser war auch wieder da. sie sind immer am schicksten angezogen, mit blütenweißen sportschuhen, roten dreiviertelhosen und fliederfarbenen ärmellosen discoshirts. und am solariumgebräuntesten, hepatitisbraun. und am hermetischsten, sie schauen niemanden an, nicht mal sich selber im spiegel.
letzte woche habe ich im umkleideraum ein handy gefunden. auf dem display stand babak. ich überlegte kurz, was das über einen menschen aussagt, wenn man seinen eigenen vornamen auf das display seines handys programmiert. bin aber zu keiner guten abstrusen erklärung gekommen. mir war sofort klar: dieses handy kann nur einem der enthaarten perser gehören, sie werden ihre sozialhermetik nicht länger durchziehen können und müssen mit mir in kontakt treten, oder ich verscherble den veralteten klotz bei ebay. maskulin lächelnd näherte ich mich bestimmten schritts der perserclique und übergab dem bestaussehendsten den babakklotz. er lächelte und sagte danke. nach zwei sekunden war die perserclique wieder hermetisch abgeriegelt.
ich klemmte mich in das beinpressengestell. reps an der beinpresse sind die einzigen gymübungen, die ansatzweise etwas mit sex zu tun haben. es kribbelt einem, an den zehen beginnend, in die oberschenkel hoch. erinnert mich immer ein bißchen an meinen ersten orgasmus, der mit vierzehn eher zufällig über mich kam. aber das ist eine andere geschichte. ich lag da also eingespannt in der beinpresse und beobachtete rico, meinen lieblingstrainer, wie er einer hausfrau den blutdruck maß. das sah sehr professionell aus. ich und seine mutter waren stolz auf ihn, daß er sich für einen so abwechslungsreichen beruf entschieden hatte. als ich die brüllend laute radiomusik nicht mehr ertragen konnte, entschied ich mich spontan, einen jeton für meinen zweiten besuch einer sonnenbank zu erwerben. als hommage an die enthaarten perser. die sonnenbank sei kaputt, erklärte mir die rundgesichtige thekenkraft. wenn die mal nicht mit den persern unter einer decke steckt.
 

 23.05.02

rico, mein lieblingstrainer, hat für mich den spindschlüssel nummer 147 ausgesucht. das kann kein zufall sein. verschiedene rechenoperationen auf dem stairmaster ergaben, daß 147 am einfachsten durch sieben geteilt werden kann. heraus kommt 21. und an welchem tag bin ich geboren? bingo! ich werde einen kult um diese zahl entwickeln, t-shirts bedrucken lassen und mir gleichlautende südseeinseldomains sichern. dieser scheißlangweilige fitnessclub birgt doch ab und zu ein paar überraschungen. zum beispiel schwangere fitnesstreibende auf ausdauersportgeräten. hab ich noch nie gesehen. eigentlich hielt ich es sogar für verboten. aber ich kenne mich in der verbotsszene auch nicht so gut aus. der zweite fitnesstrainer, der mit dem polnischen nachnamen und den stark behaarten beinen, grüßt mich jetzt neuerdings. die aus der freizeitspaßbranche arbeiten mit allen tricks. das kann kein zufall sein. die reden über mich. abgekartetes spiel.
 

 26.06.02

nach langer sportverletzungsbedingter abstinenz endlich wieder im fitness-studio gewesen. sportverletzung ist vielleicht übertrieben, hört sich aber sexy an. ich hatte schmerzen in der unterseite des oberarms, dort wo sich in zehn jahren bingo-wings, mein neues lieblingswort, bilden werden. diese schmerzen - so meine medizinisch fundierte theorie - konnten nur von einer muskelzerrung herrühren. ich stelle mir nämlich die geräte immer ganz schlampig ein und lege meine wird-schon-gutgehn-mentalität an den tag. so entstehen hebelkräfte und muskelbeanspruchungen die sich gewaschen haben. rico, mein lieblingstrainer, war wieder zum thekendienst verdonnert worden und wies mir spind nummer 141 zu. meine schuhgröße plus 100 minus 5. außer mir war wieder die dicke mit dem hellgrauen sweatsack und den hübschen blauen augen da. und der grausame gleichaltrige mit den schwarzen radlerhosen und den dünnen beinen. und ein neuer großer blonder mit geschmackvollen sportschuhen. während der neue große blonde fünf meter vor mir herumhantelte, bewegte ich mich hospitalistisch, gegen den takt der musik, an der bauchpressmaschine. so nenne ich dieses gerät zumindest. an den geräten klebten überall neue dehnungsanweisungen mit jeweils einem foto. als fotomodell hatten sie den trainer mit der polnischen fresse verpflichtet, der sich mißmutig in langen hosen über den geneigten kopf an seinen linken unterarm griff. hätte ich das mal früher gewußt. einer spontanen eingebung folgend, wandelte ich schnell zur theke, um rico um trainerlichen, ärztlichen, väterlichen, fachmännischen rat bezüglich meiner SPORTVERLETZUNG zu konsultieren. ich legte ihm alle antworten, als fragen getarnt, in den mund, denn keinesfalls wollte ich von ihm zum arzt geschickt werden. er hat übrigens fantastische blaue augen - hab ich das schonmal erwähnt? ja, tausendmal - und ist auf seine spröde art äußerst reizend. außerdem benutzte er mehrmals die vokabel latissimus. er kennt die menschliche muskulatur wie seine dunkelblaue fila-hosentasche. als sich seine ratschläge wiederholten, brach ich das gespräch ab und widmete mich der butterfly-maschine. der graue sweatsack spreizte hinter mir die beine an der abduktorenmaschine, die dünne radlerhose dehnte ihre rückenmuskulatur, und ich versuchte, mich an ricos stimmhöhe zu erinnern.
 

 11.07.02

heute kurz im gym gewesen, eigentlich nur um mir selbst zu beweisen, daß ich kein faules schwein bin. trotz des regens, trotz meiner weiterhin anhaltenden genervtheit. hab jetzt schon zum zweiten mal innerhalb von sechs monaten meine mitgliedskarte verloren. könnte auch ein omen sein, wenn man gerne an omen glauben würde. jetzt muß ich immer den kartensermon runterlabern und meinen unbuchstabierbaren nachnamen fünfzig mal wiederholen. auch egal. auf dem fahrrad, fatburner stufe 4, stern gelesen. irgendeine uralte nummer, alle erfurt-horror-stories nochmal auf zehn seiten ausgewalzt. wann wird das endlich als filmfilm verfilmt? ist bestimmt schon in der mache. danach einen schnellen geräterundgang, nur einmalsets, oder wie das in der men's health immer heißt, dafür etwas schwerere gewichte. so wird das nie was. aber da ich selber auch nicht mal weiß, was das werden soll, kann, muß, ist's schon wieder egal. abgesehen von total überzogenen, heimlichen wunschvorstellungen, die in meinem alter nicht mal mehr am dauer-anabolika-tropf zu erreichen wären, bleibt da nur noch das, was einem die freizeitindustrie als körpergefühl einreden will. man nimmt nicht mehr zu, kriegt den ansatz einer brustmuskulatur und redet sich ein, etwas "für sich" getan zu haben. tröstendes moment übrigens, daß richtig aufgemuskelte typen in den kaschemmen kaum angesprochen werden. niemand traut sich, alle rechnen mit einer abfuhr, da bleibt der musclequeen nur noch der darkroom oder ein minijob als pornostar oder barkeeper. ich hab's übrigens am letzten wochenende, aushilfsweise für eine halbe stunde, schon zum kaschemmentürsteher inklusive verzehrkartenverteilung gebracht. traurige minikarriere, aber der rufruinierung äußerst dienlich.
 

 02.08.02

fahrrad gefahren und beim focuslesen die ganze zeit an zwei textile ereignisse gedacht. focus ertrage ich sowieso nur, wenn man simultan mit seinen gedanken ganz woanders steckt. wer liest focus eigentlich? warum gehen die nicht pleite? focus ist der kölner stadt-anzeiger unter den nachrichtenmagazinen. das textile ereignis nummer eins hat mit dem verlust einer textilie zu tun. ich vermisse nämlich ein schwarzes kurzärmliges hemd mit schulterklappen, das ich mal in einem secondhandladen gekauft habe. nachdem ich die drei patches, auf denen joe's garage stand, runtergerissen hatte, konnte ich es sogar in der öffentlichkeit tragen. es sah dann wie ein nachgemachtes amerikanisches polizeiuniformhemd von mr.b. aus, von dem man die south-california-highway-patrol-patches runtergerissen hatte. je länger ich fahrrad fuhr, um so weniger konnte ich mich daran erinnern, wo ich es verloren haben könnte. allerdings konnte ich mich an einen gedankenfetzen namens "egal, war ja nicht so teuer" erinnern, den ich in einem kurzen lichten moment während der feuerwerks-vollrauschnacht hatte. ich überlegte mir, ob ich es womöglich und vor allem an wen ich es verschenkt haben könnte. schnell die gedächtnislücke verdrängt und mich mit dem textilen ereignis nummer zwei beschäftigt: mein neues fitness-studio-handtuch in der sondergröße 60x120 cm, omafarbe taubenblau, noppenstruktur. mein einziger kauf im rahmen des sommerschlußverkaufs 2002. hat ungefähr eine halbe stunde gedauert, um bei strauss innovation zu einer kaufentscheidung zu gelangen. die normalo-größe 50x100 gab es nämlich in tausend farben. farben kann man sich selbstverständlich nur im aufgefalteten handtuchzustand vorstellen. die rechts neben mir abgestellte handtuchwiederzusammenlegerin stand kurz vor dem nervenzusammenbruch, als sie gesehen hat, daß ich mich dann doch für das nur in einer farbe erhältliche handtuch in größe 60x120 entschieden habe.
 

 28.08.02

die wunderbare gym-ausrede, aufgrund der verbrandblasten hand nicht mehr "trainieren" zu können, galt heute nicht mehr. sogar meine haut hatte sich innerhalb von vier wochen regeneriert, auch wenn der farbton noch nicht der alte ist. der fleischige rotblonde typ mit dem großen muttermal auf der linken wade situppte sich die bauchmuskulatur wund. später habe ich ihn zum ersten mal lachen gesehen. das sah nicht gut aus. ist zwar egal, ob das gut aussieht oder nicht, aber manche menschen sehen nur gut aus, wenn sie ernst dreinschauen und nicht lachen. meistens wirkt sich lachen positiv auf den gesamteindruck aus. bei ihm nicht. eine neue fitnesstrainerin mit schuhgröße 33 wies einen bleichen gymneuzugang auf dem laufband ein. typ enddreißiger, dem seine alte seit monaten in den ohren liegt, er solle doch endlich ein paar kilo abnehmen. oder typ enddreißiger ohne alte, der sich selber seit jahren in den ohren liegt, er solle doch ein paar kilo abnehmen, weil es nur daran liegen kann, daß sich keine alte für ihn interessiert. oder typ schwuler vierziger, der einfach nicht aufhören kann, in läden zu rennen, in denen die hälfte der anwesenden seine söhne sein könnten. oder einfach nur jemand, dem es spaß macht, sport zu treiben. soll's ja auch geben, ich weiß. an der theke saßen zwei schwarze mädchen und tranken erdbeermolkeshakes. der fleischige rotblonde stand bei ihnen. sie unterhielten sich über das guidomobil. schnell an die butterflymaschine geflüchtet und das gewicht um zwei eisenbriketts erhöht.
 

 03.10.02

von rico, dem wunderschönen, wenn auch nicht besonders groß gewachsenen fitnesstrainer, spind nummer 155 zugewiesen bekommen. der spind liegt im umkleideraum privilegiert am fenster. a spind with a view. das kann kein zufall sein. die männerumkleide befindet sich im zweiten stock, die frauenumkleide im ersten. ich habe mir schon öfters vorgestellt, wie im architekturbüro die raumverteilung des fitnessstudios geplant und diskutiert wurde. "und hier kommt dann der bauch-bereich hin". und ob hoffentlich ein streit über die geschlechtsspezifische etagenzuordnung der umkleideräume zu hass, mißgunst und kündigung geführt hat, weil die jungarchitekten die aussage des ekligen seniorarchitekten, daß dem "schwachen geschlecht" das treppensteigen über zwei stockwerke nicht zuzumuten sei, einfach nicht ertragen konnten. aber wahrscheinlich hat sich kein schwein auch nur eine sekunde lang darüber gedanken gemacht. wahrscheinlich wird allgemein viel weniger in frage gestellt, als ich mir als gedankenmachendes schwein wünschen würde. ich bin also mal wieder nicht mit dem aufzug die zwei stockwerke ins erdgeschoss heruntergefahren und betrachtete, unten angekommen, die horde weiblicher mittdreißiger, die sich rechts neben dem bauch-bereich auf ihren stairmastern schwitzend die knie in die achseln treppten. die portugiesische bedienung aus dem italienischen restaurant, das von einem schweizer geführt wird, der mit einer spanierin verheiratet ist, winkte mir zu. aber vielleicht war es auch die türkische aushilfe aus dem kiosk op dr' eck, der von einem iraner betrieben wird, der mit einer italienerin verheiratet ist. ich winkte auf jeden fall zurück, legte mich auf die langhantelbank und überlegte, ob es noch mehr sportarten gibt, die man als fauler mensch im liegen ausführen kann.
 

 23.08.03

Acht Monate lang mit angeschlechtetem Gewissen und abgeschlafftem Körper am Fitnessstudio vorbeigeschlichen, heute in Neujahrsstimmung voller guter unrealistischer Vorsätze wieder hingegangen. Überall hingen fotokopierte Zettel, auf denen zu lesen stand, daß sich "mit Wirkung vom 1.7.03" Besitzverhältnisse und Name der veralteten Gymbude geändert haben. Hallo-ich-bin-die-Petra ist nicht mehr nur Geschäftsführerin sondern nun auch Besitzerin. Außerdem ist sie immer noch mit einem der enthaarten Perser zusammen und hat zehn Kilo zugenommen, der alte Fitness-Spaßvogel. Auf den fotokopierten Zetteln stand aber auch noch folgende Drohung: "Für Euch wird sich nichts ändern ... im Gegenteil: neue Trends und Ideen sind bereits in Planung." Ich glaube, diesen Spruch lasse ich mir auf Rücken und Schwanz tätowieren. Einer der neuen geplanten Trends scheint darin zu bestehen, penetrant mit Vornamen angesprochen zu werden. Stephan, welchen Schlüssel darf ich dir geben? Stephan, viel Spaß! Stephan, du hast noch ein Apfelschorle-Abo. Undsoweiter. Als ob man Alzheimer hätte und alle drei Sekunden den eigenen Namen vorgesagt bekommen müßte. Ein maternalischer Vornamensalbtraum! Zur Ablenkung konditionslos neben einer Frau auf dem Laufband gelaufen. Absichtlich schneller gelaufen als sie. Direkt vor mir zwei TV-Bildschirme, rechts n-tv, links viva, rechts Tschetschenien-Bilder, links Tatu. Sofort wegrennen wollen, was auf dem Laufband nicht ganz einfach ist, dann aber auf dem linken Bildschirm Patrick Nuo erkannt und, geblendet von Schönheit, Jugend und Erfolg, sofort wieder mit der Welt versöhnt. Nichts hat sich geändert ... im Gegenteil.
 

 04.12.03

mal wieder beim betreten des fitnessstudiohauptraums meine entscheidungsschwäche gehasst. entscheidungsschwäche gepaart mit faulheit. zur wahl stehen wie immer diverse ausdauertrainingsgeräte samt ihrer parallelnutzer. soll ich aufs laufband neben den total durchgeschwitzten dicken oder auf den stairmaster neben die hagere mit dem stechenden blick oder auf dieses skilanglaufding neben den perser mit der weißen adidaskombi oder fahrradfahren ganz alleine in der ersten reihe? und alle werden mich dort in der ersten reihe beobachten und mich ausbuhen, weil ich zum beispiel nicht genügend schwitze oder nicht das mountain-programm stufe 5 gewählt habe. mich in einer hauruckaktion für das laufband und den verschwitzten dicken entschieden. um den dicken nicht zu verunsichern, erstmal ein paar minuten einen auf hausfrauenwalking gemacht, danach die laufbandgeschwindigkeit bis an die stolpergrenze hochgeregelt. über mir auf n-tv eine fernaufnahme des kapitols in washington vor grauem himmel. es brannte nicht und ein flugzeug flog auch nicht hinein. enttäuscht zur kenntnis genommen, daß es sich nur um den pausenfüller mit internationalen webcams handelt. flugs ging es weiter nach köln, london, helsinki und auckland. überall gleich langweilig, das war sofort zu spüren. der durchgeschwitzte dicke ist eine strebersau und will einfach nicht vor mir das laufband verlassen. ich breche verbittert ab, torkele an die theke, lalle apfelsaftschorle und schäme mich, daß ich immer noch nicht schwitze.
 

 07.01.04

endlich mal einen streit zwischen zwei frauen im fitnessstudio mitbekommen. eine große dünne, sich als fitnessprofi gebärdende, verscheuchte eine kleine dicke stark transpirierende von der abduktorenmaschine. die transpirierende dünstete außerdem einen zwiebeligen geruch aus und hörte walkman, weshalb sie das genöle der großen dünnen nicht richtig verstehen konnte, welche immer und immer wieder von ihrem dummen handtuch sprach, das sie als platzhalter über die rückenlehne der abduktorenmaschine gehängt hatte. leider kam es zu keiner schlägerei. ich hätte die zwiebelfrau gerne als siegerin gesehen. dann war da noch eine ganz kleine frau ende dreißig mit widernatürlich hellblond gefärbten haaren, deren skilanglaufbewegungsstil mir total auf die nerven ging. so übertrieben körperbewegt wie dreidimensional animierte figuren im zdf mitte der neunziger beim treppensteigen. auch sie hätte ich gerne als unterlegene im zweikampf mit der zwiebelfrau gesehen. überhaupt soll die zwiebelfrau sofort die leitung des fitnessclubs übernehmen. zwiebeln für alle! handtuchverbot im trainingsraum! hellblond gefärbte haare zu atmungspassiven synthetiksocken!
 

 11.07.04

beim betreten des umkleideraums gerade noch gesehen, wie sich trainer martin mit seinen ernsten slawischen hochwangen die gelben sportschuhe zuschnürte. dann hat er sich mit viel spaß beim trainieren von mir und den deutschtürken verabschiedet. käme ich auch nie drauf, das jemandem zuzurufen. aber in der fitnessverkumpelungsszene ist das vollkommen normal. die deutschtürken zogen sich ihre schicken hellblauen fitnessklamotten von karstadt an, ignorierten mich und unterhielten sich bilingual, wie ich es auch in der straßenbahn und auf dem ring am liebsten höre: konusunda kamuoyundaki arbeitsamt yanlis algilamalarin giderilmesine. und ich so, was hast du für ein problem? katkida bulunmak fünf kölsch amaciyla, verpiss dich. unten vor der theke überraschenderweise meinen masseur getroffen, der mich zur begrüßung auf den mund küsste. sehr freizügig und out of the closet, der tapfere kleine chilene. er sieht übrigens von einer massagebank aus gesehen viel besser aus als im wirklichen leben. dann blickte er mich mit seinen dunkelbraun lodernden augen durchdringlich an und legte mir eine privatmassage für nur zwanzig euro nahe. er liebt mich also doch nicht und will nur mein geld. frustriert zum musikcomputer geschlichen und ganz üble schwule schmonzetten in die fitnessstudiobeschallungsplaylist gedrückt. die musikwünsche der anderen natürlich fies weggelöscht. es hat sehr viel spaß gemacht, den deutschtürken beim rhymthmischen langhantelstemmen auf total eclipse of the heart zuzusehen.
 

 15.09.04

vor der getränketheke versammelte sich der nur aus frauen bestehende lauftreff. dann kam lauftreffleiterin birgitta mit diesem ich-habe-gute-nachrichten-gesicht hinzu. ich habe gute nachrichten für euch, sagte birgitta, ab nächster woche bieten wir auch nordic walking an. habt ihr schon mal was davon gehört? betretenes frauenschweigen in der gruppe, nur in mir brodelte ein ungefähr tausend mann starker besserwisserchor gröhlender innerer stimmen, der den soundtrack aller twin-peaks-folgen mit einer kaum zu beschreibenden leichtigkeit in den schatten stellte. war ich wirklich der einzige, der 1995 den special-interest-artikel in der apothekenrundschau gelesen hatte? dann hielt birgitta plötzlich die beknackten laufstöcke in der hand und eine frau sagte tatsächlich, die sehen ja aus wie skistöcke. und dann bin ich gegangen.
 

 07.10.04

zwei neue osteuropäische aushilfen werden an der getränketheke eingearbeitet. die studioleiterin erklärt ihnen die welt und sagt ich muß euch mal deutsches essen kochen. leider werde ich in das gespräch reingezogen, dabei wollte ich doch nur die verfickte apfelschorle bestellen. stephan, schreit sie, was ist denn für dich deutsches essen? das gibt's doch eigentlich gar nicht, oder? doch, sage ich, rindsrouladen, sauerbraten und kassler. und sauerkraut und knödel und so sämige eintöpfe mit reingeschnittener wurst und dosenerbsen in mehlschwitze und putengeschnetzeltes mit dosenananas und mandarinen und zuviel currypulver von ostmann. und wenn du mir nicht sofort die verdammte schorle rüberreichst, denke ich mir, labere ich dich so zu, daß du mich nie wieder auch nur nach der uhrzeit fragst. sie könne keinen sauerbraten kochen, sagt sie, da sie halbholländerin sei. dann koch eben nur einen halben sauerbraten, denke ich mir, und nehme hastig das getränk entgegen. hinten auf den treppstepdingern hampelt der einzige schwule außer mir herum. seitdem ich ihn mal in der schmuddelbar beim sex auf der toilette überrascht habe, grüßt er nicht mehr, wird dafür aber immer ganz rot. ich überlege mir, mit wem ich gerne sex auf der toilette des fitnesstudios hätte und entscheide mich spontan für alle anwesenden türken, rumänen und iraner sowie sport- und bwl-studenten jeder nationalität über einem meter fünfundachtzig. also quasi mit jedem außer dem treppsteppenden schwulen. könnte schwierig werden.
 

 23.12.04

kommt immer mehr herunter, das gym. sieht richtig abgeranzt aus. all die abgenutzten kraftmaschinen mit blauen polstern. blaue polster, voll nineties. das fiele heute keinem gymgerätedesigner mehr ein, irgendwas blau zu bepolstern. bilde mir auch ein, dass wesentlich weniger leute zugegen sind, seitdem vor ein paar monaten die noble wellnessklitsche im mediapark mit schwimmbecken, handtuchservice, erlebnissauna und personal trainer aufgemacht hat. der grauschläfige heute in grauen baumwoll-loose-fit-klamotten, wie sie robin williams in john-irving-verfilmungen immer trägt. die dicke mit dem pferdeschwanz dafür ganz in gelb. neben mir hächelte sich der häßlichgesichtige auf der bench press einen ab. er hat das, was man bei big brother und in der kaschemme einen geilen body nennt. meist in der kombination mit aber. in der kaschemme sitzt er mit seinem geilen body immer shirtless an der theke, trinkt wodka-redbull und beachtet mich nicht. heute ging er dann direkt hinter mir zurück in die umkleide und sagte: jetzt bin ich aber auch total geschafft. ich so mhmgrummelnuschel. konnte ich ja noch nie, so hingeworfene anmachangebote ent- und ansprechend erwidern. beim anziehen gelauscht, wie er sich eine spindreihe weiter östlich umzog. mysteriöse klettverschlußlaute drangen an mein ohr. beim rausgehen nochmal kurz umgedreht, um dem ungeschriebenen fitnessstudioverabschiedungsritus tribut zu zollen. da war er leider schon in seine motorradkluft eingeklettet, aber ich weiß ja aus der kaschemme, wie er halbnackt aussieht.
 

 18.04.05

seit neuestem horden von heranwachsenden im fitnessstudio. sechzehnjährige jungs ohne bartwuchs mit roten backen und schwarzen gym-instructor-handschuhen, die ihre dürren körper unter überdimensionierten sweatshirtstofflappen verbergen. aber todernst bei der sache, jede wiederholung leise mitzählend. sich gegenseitig ratschläge gebend. du mußt das letzte set viel langsamer und mit weniger schwung machen, sonst bringt das nichts. fast schon spooky, wie früh das mittlerweile losgeht, die sucht nach dem gestählten körper. zuhause im kinderzimmer stehen die dann bestimmt heimlich mit angespannten muskeln vor dem spiegel, ihren muskelzuwachs betrachtend, immer voller panik, dass gleich die fünfundfünzigjährige mutter reinschneit und sie möglicherweise für ihren tollen body lobt. ich will's mir lieber nicht weiter ausmalen.
 

 10.05.05

Mein Fitnessstudio hat Konkurs angemeldet und bleibt für immer geschlossen. Aus einem Fenster der Herrenumkleide im ersten Stock ragt ein hellblaues Bauschuttentsorgungsrohr. An der Eingangstür klebt ein Zettel, auf dem ein Mitglied zur Sammelklage gegen die "abgetauchte" Geschäftsführerin aufruft. Darüber anonym handschriftlich: "Sie hat Euch alle verarscht!" Mir überlegt, ob die dramatische Gewichtszunahme der Geschäftsführerin innerhalb der letzten zwei Jahre wohl in direkter Verbindung zu ihrer Verschuldung stand.
 

 20.08.05

nach dreimonatiger trainingspause mit geldsparvorsätzen, wegen des inkonkursgangs der abgewrackten fitnessbude, mich nun doch entschlossen, mitglied im edelgym zu werden, das erstens vor meiner haustüre und zweitens jenseits meiner finanziellen möglichkeiten liegt, und mich fünftens schon immer so abstieß, dass alleine aus selbstzerstörerischen und verhaltenstherapeutischen gründen kein anderer trimm-dich-verein in frage kam. allerlei gym-mythen wurden mir aus nachbars-, jungfußballer-, verleger- und rtl-mündern zugetragen, meist gespickt mit veralteten begriffen wie yuppie, gelackt oder durchgestylt. ich also hin zum infogesprach mit der sales consultante, die so eine art stewardessen-kostüm trug und mich an bord des über fünf stockwerke verteilten fitnesstempels begrüßte. gemütlich hetzte sie mich treppauf-treppab durch die verschiedenen areas. hier ist die herrenumkleide mit handtuchservice, einzelduschen, seifen-, shampoo- und bodylotionspendern, Sie brauchen also wirklich nichts mitbringen, hier unsere kursräume, pilates, yoga, ballett, entspannungstechniken undsoweiter, dort das schwimmbecken mit fünfundzwanzigmeterbahn, whirlpool und angrenzendem saunabereich, dampf, bio, finnisch, irgendwas mit aroma, weiter zum workoutbereich, ausdauer, upper body, lower body, ladies, freihantel, plasmascreens, personal trainer und die revolutionären maschinen der firma xy, außerdem kinderbetreuung, lounge mit wellnessfood. alle areas bevölkert mit unabkriegbaren gay-romeo-homosexuellen in all white fitnessklamotten, übergewichtigen, chodorowski-brillen tragenden managern und spätgebärenden mit wiedererlangter teenagerfigur. welcome to the frauke ludowig goes to hamburg nightmare pleasure dome. sofort in faust-manier den off-peak-hours-vertrag unterschrieben. lars brandau, ich komme!
 

 11.09.05

zuerst aus big-brother-verehrung fünfzehn minuten laufband gelaufen. neben mir eine ganz zierliche frau mit pferdeschwanz und mauve-farbenem fitnessdress, die aussah wie eine ehemalige klassenkameradin. auch so ein phänomen: klassenkameraden ein leben lang als 18-jährige vergegenwärtigt und archiviert zu haben. dann von einer schundigen pro7-teenager-serie so angefixt, dass ich direkt noch weitere fünfzehn minuten vor dem plasmascreen radfahren mußte. im schwimmbecken von einer megamusclebeauty - typ men's health cover model - gefragt worden, ob ich was dagegen hätte, mir mit ihm eine schwimmbahn zu teilen. fast darüber ohnmächtig geworden. die reizend-absurdeste frage des jahres.
 

 28.09.05

Kürzlich den von mir seit Jahren heimlich verehrten und hier regelmäßig erwähnten weltallerbesten Türken auf einem Partyfoto in einem schwulen Stadtmagazin gesichtet. Gleich rausgerissen und sofort verlegt. Wie ich der Bildunterschrift entnehmen konnte, ist der weltallerbeste Türke Grieche, aber für mich wird er immer Türke bleiben. Wie ich dem Blitzlicht entnehmen konnte, hat der weltallerbeste Türke ein paar Hautunreinheiten auf der linken Wange, die in dunklen Diskotheken und von hinten nicht weiter auffallen, sowie einen schräg sitzenden Zahn oben rechts. Aber für mich wird er immer perfekt bleiben, auch wenn er nur einssiebzig groß ist und armyfarbene Fitnesskleidung trägt, wie ich heute der Hantelbank im Gym entnehmen konnte. Ich so ihn am Ignorieren. Noch immer die beste Methode, um garantiert niemanden kennenzulernen, es sei denn derjenige, den man unbedingt kennenlernen möchte, hat total einen in der Klatsche, was auch oft vorkommt. Mein weltallerbester Türke hat aber natürlich keinen in der Klatsche. Dafür hat er einen schwarzen DIN-A5-großen Jahreskalender neben der Hantelbank liegen, in den er sowohl fein säuberlich als auch voller Enthusiasmus mit einem Bic-Kugelschreiber (schwarz) seine Gewichtshebefortschritte notiert. Er kann schreiben, ich bin begeistert. Ich lege mich zwei Hantelbänke weiter östlich neben ihn - er und ich vereint in perfekter Parallelität - und mache eine Pull-Over-Krimskrams-Übung, um ihm zu signalisieren: Hey! ich mache eine Pull-Over-Krimskrams-Übung, die Du sofort notieren solltest! Vier Minuten später macht der weltallerbeste Türke natürlich die Pull-Over-Krimskrams-Übung in absoluter Perfektion und mit dreifachem Gewicht. Vor und zurück schwebt seine von kleinen griechischen Fingerchen umklammerte, schwarz mattierte Hantel, gleichförmig und elegant wie ein Mauersegler über der für ihre Mauern bekannte Ägäis. Aha, denke ich, der macht hier einen auf schrägzahnige Jane Fonda für schwule Arme. Nicht mir mir! Das Fitnessvideo kannst du alleine drehen. Und ich werde es tausendmal kaufen.
 

 30.09.05

Willst du nicht mal deine Ziele refokussieren? Wir haben da so ne Aktion, sagte die Empfangs- und Handtuchausgabekraft im Fitnessstudio. Freitag um zehn bei Alex. Ichsojaalsogut. Kostenlose Trainerstunde muss man natürlich mitnehmen, auch wenn ich - einer meiner Hauptcharakterzüge - leider keine Ziele habe. Außer denen, die jeder heimlich hat, wie freihändig Radfahren können, ein Buch schreiben, einen perfekten Braten ohne Bratenthermometer braten, schöne Schuhe finden und kaufen, Eigentumswohnungen in London, Paris und New York besitzen, Besuch von Sexclubs ohne krank zu werden, Pflanzen bestimmen können, undsoweiter. Alex ist ein bezaubernder junger kleiner rasierter Mensch, der mir mit seinen braunen Augen direkt in meine braunen Augen schaut, so wie er das auf der Fitnesstrainerschule gelernt hat. Was sind denn deine Ziele?, sagt er und zeigt mit der Spitze seines Kugelschreibers auf diverse abstrakte Begriffe aus der Fitnessbranche, vor denen sich quadratische Checkboxes in einem Abstand von 5 Millimetern befinden. Dummerweise wurde exakt in diesem Moment das fünfstöckige Fitnessstudio mit Unpretty von TLC beschallt, best anti body modification song ever und eines meiner ewigen Lieblingslieder, und ich konnte nur noch an Left Eyes tödlichen Hubschrauberabsturz in der Karibik denken. Mit vorgespielter Sicherheit entschied ich mich dennoch für Ausdauer, Fitness und Muskelaufbau, aber eigentlich dachte ich eher an sowas in der Art wie: von fünfzehn Jahren jüngeren bezaubernden kleinen rasierten Menschen wie du, in Diskotheken einen Gin Tonic spendiert zu bekommen. Aber das stand nicht auf der Liste und ich wollte nicht pathetisch wirken, denn my insides are blue und werden es auch bleiben. Same old me again today, yeah.
 

 10.10.05

Im Umkleide- und Duschbereich führen im Schichtdienst südamerikanische Handtuchentsorger und Bodenwischer eine stumpfe Parallelexistenz. Stumm und unterwürfig verrichten sie in blauroten Clubuniformen ihren wahrscheinlich schlecht bezahlten Handtuchentsorge- und Bodenwischjob im Fünfzehnminutentakt. Ein unausgesprochenes Fitnessclubgesetz verbietet die direkte Kontaktaufnahme mit ihnen. Wenn man versehentlich grüßt, wird der Gruß meist nicht erwidert. Man hat vielmehr das Gefühl, sich durch die Begrüßung in etwas einzumischen, was einen nichts angeht. In ihr Leben zum Beispiel. Kürzlich habe ich im Treppenhaus gesehen und gehört, wie sich ein südamerikanischer Handtuchentsorger mit seiner asiatischen Kollegin aus der Frauenabteilung in einer dem Deutschen ähnlichen Sprache unterhalten hat. Das hat mich sehr gerührt. Ich wünsche mir, dass sie ihren Job, ihre Clubuniform, ihre Chefs und alle Clubmitglieder abgrundtief hassen und den pseudoschicken Laden im Rahmen eines bundesweiten Generalstreiks nach der Kanzlerfindung lahmlegen. Apropos pseudoschick: Das gesamte Fitnessstudio ist einem immerhin konsequent durchgezogenen Designkanon unterworfen, angefangen bei den Spinden und der Badehosenschleuder bis hin zum sogenannten Schwitztuchtresen mit integrierter Trainingsplankarteikartenablage im Workoutbereich. So ein endneunziger Wallpaper-Look, eine Mischung aus Kampfstern Galactica, Barcelona-Pavillon und Alno-Anbauküche, ein Gymnasialkunstlehrertraum aus indirekt beleuchtetem Tropenholz und mattlackiertem Weiß. Nicht mehr topaktuell, leicht veraltet wie Berliner Design-Hotels. An den Wänden hängen ein paar großformatige Farbprints, wahrscheinlich Agenturfotos, mit glücklichen, nebeneinander stehenden, sporttreibenden Beauties. Besonders gut gefällt mir darauf ein verschwitzter rotblonder Nordfranzose mit blauen Augen und bubenroten Wangen, aber auch der afroasiatische Amerikaner mit dem keck über der Schulter drappierten Schwitztuch hat es mir angetan. Sobald es zu einer Rebellion der kolumbianischen Handtuchentsorger kommt, werde ich die chaotischen Wirren des Umsturzes dazu nutzen, dieses Bild unbemerkt außer Haus zu schaffen.
 

 07.11.05

im fitnessstudio läuft aus mir höchstsuspekten gründen immer dieser schrottnachrichtenkanal n24, der zur einen hälfte aus von laien in boss-anzügen moderierten news und zur anderen hälfte aus galileoähnlichen berichten über die arbeit eines freiberuflichen westdeutschen sprengmeisters besteht, der jedes mal wenn ich trainiere, industrielle großbauten der ehemaligen ddr mit einem verschwitzten lächeln in schutt und asche legt. die zeitlupenaufnahmen sind spitze und lassen ein jedes männerherz höherschlagen. feuer läßt auch ein jedes menschenherz höherschlagen, let's face it. vor allem nachts. auch wenn es sich dabei um das brennende auto deines franco-algerischen nachbarn handelt. peter scholl-latour sitzt im n24-studio und erklärt den boss-anzügen und mir die französische welt. zum teil recht okaye, noch nicht tausend mal gehörte statements, aber dann auch unangenehme ausrutscher der kategorie, warum eigentlich die französische polizei keine gummigeschosse einsetze. in israel hätte das doch gegen palästinensische aufständische prima funktioniert. so ungefähr. da fiel dann auch den boss-anzügen keine vertiefende nachfrage mehr ein. sie wandten sich vielmehr an die lieben zuschauer, um ihre scheiß abzocktelefonaktionen anzupreisen. nun möchten wir aber ihre meinung wissen, sagten die boss-anzüge in die kamera, könnte so etwas auch bei uns in deutschland passieren? rufen Sie uns an. ich hätte mich armtelefonieren können, um im anschluß direkt ein paar brandsätze durch die gegend zu schmeißen und in zeitlupe zu explodieren. natürlich, dachte ich nur, und mit eurem fernsehstudio fangen wir an.
 

 09.01.06

Zunächst die Eingangstür zum Gym nicht aufbekommen und sofort gedacht: die Schweine haben pleite gemacht. Dann öffnete mir eine pastellfarbene, eins sechzig große Achtzehnjährige mit ihrem kleinen Finger die Tür. Dank der letzten Clubmitglieder-Rundmail, die ich heimlich und wahrscheinlich als einziger auf der ganzen Welt mit großer Begeisterung die Handtuch-Mail nenne, war ich schon auf die Handtuchfragerei an der Rezeption bestens vorbereitet. Die große Neuerung im Jahr 2006 - auch im Gym erfolgen unter dem Deckmantel des Umweltschutzes drastische Einschnitte - besteht aus dem Wegfall der ehemals frei ausliegenden sogenannten Schwitztücher. "Dafür erhalten Sie beim Check In wahlweise 1 kleines und 1 großes, oder 2 große Handtücher. Bei Bedarf können Sie weitere Handtücher für € 0,50/Stück erhalten. Da in letzter Zeit vermehrt unbenutzte Handtücher in die Ablage geworfen wurden, möchten wir Sie höflich bitten in Zukunft nur so viele Handtücher zu nehmen wie Sie auch wirklich benötigen. Helfen Sie mit, schonen Sie unsere Umwelt!" Fuck you and please activate your Kommasetzungs-Plugin! Am Ende werden noch ein oder zwei kolumbianische Handtuchentsorger eingespart, nur weil die Fitnessstudioeinkäufer zu geizig sind, in der Metro so einen Dreihundertkilo-Ökowaschmittel-Kanister mit einem Frosch oder diesem Löwenzahnsamenbömmelszeug drauf zu kaufen. Das wäre ein Schaden für die deutsche und die kolumbianische Volkswirtschaft, Handtuchentsorgereinsparung meine ich. Auch Handtuchentsorger kaufen häßliche arcticblaue MP3-Player bei Saturn, trinken in Pizzerias Molkegetränke mit Fruchtzucker und tragen bevorzugt die heißesten Teile aus der letzten Jan-Poulsen-Kollektion von Maison Strauss. Nun endlich die Handtuchfragerei: Möchtest Du ein großes und ein kleines Handtuch oder zwei große Handtücher? Wir haben uns nämlich entschlossen, ab diesem Monat undsoweiterblabla. Ich so: Zwei große. Sie so: Dann mußt Du allerdings zum Training eines der großen Handtücher benutzen. Ich so nick, dabei überlegte ich schon, wie ich am besten keines der Handtücher benutzen könnte, um beide unbenutzt in die Ablage zu scheppern. Im Treppenhaus den Oberoberclubmanager getroffen und mich dann doch kurz wie die letzte Ökosau gefühlt. Und der spröde, haarige Handtuchentsorger in der Männerumkleide, auf den ich mich eigentlich fetischieren könnte, hätte sich auch ruhig bei mir bedanken können.
 

 01.03.06

"Sehr geehrte Mitglieder [und MitgliederInnen],
bitte beachten Sie, dass am Dienstag, den 07.03.06 ein Filmdreh [das heißt doch jetzt und für alle zeiten dank heidi klum "shoot". immer mit "beim" benutzen und mit "ganz wichtig". beim shoot ganz wichtig ...] für das Projekt [vor allem diese scheiße auch noch projekt nennen] "Nicht ohne meine Schwiegereltern“ [auweia, ist das schlimm. alptraumjob drehbuchautor] mit Fritz Weppert (spielt horst tapper auch mit?] stattfindet. Für die Dreharbeiten [shoohoot heißt das] wird von 07.00 - 17.30 Uhr [achtung eine durchsage. fritz weppert bitte schon um drei uhr in die maske, um ihn auf 55 zu schminken. six hours in makeup] der Cardio- und Freihantelbereich auf der Trainingsfläche gesperrt. Der Gerätebereich ist zum Training frei verfügbar und einige Cardiogeräte [springseil, medizinball, deuserband] werden für Sie zum Ausdauertraining in diesem Bereich [in welchem nochmal? habe den bereichsüberblick verloren. bereichsinferno] bereitgestellt werden [ochwienett], so dass Sie Ihrem Training ungestört nachgehen können. Schöne Grüße und auf bald! Ihr XY-Team" [selber schöne grüße]